Ich war in den letzten Wochen viel unterwegs, viel auf Kongressen, somit sind die Eindrücke auch sehr vielfältig. Fangen wir mit der eEducation-Tagung in Fiss, in Tirol an: Zielgruppe der Fachtagung sind LehrerInnen der Sekundarstufe I, AHS und Hauptschulbereich. Wir sind im Jahr 10 der eLearning-Anwendung im österreichischen Schulbereich – ich sehe viel Motivation, erkenne aber auch, dass der Hype längst vorbei ist: neue Tools halten die Visionen am Köcheln, aber den neuen großen Wurf gibt es nicht.
Vielmehr sind bildungsaktuelle Begriffe wie "kompetenzorientiertes Lernen" der neue Inhalt, der jetzt auf eLearning angewendet wird. Ich nehme mich da gar nicht heraus, auch wir entwickeln gerade das Modul "exabis competences" das ein Andocken von Bildungsstandards, Deskriptoren und Beispiele an Moodle-Aktivitäten ermöglicht. Dennoch finde ich, dass sich die Zielgruppe die für Entwicklungen dieser Art aufgeschlossen ist nicht unbedingt erweitert.
Schnitt – ADZ-Kongress in Bregenz: Treffen des größten reformpädagogischen Netzwerks Deutschlands – ca 2% an österreichischen Bildungsinteressierten sind anwesend, ich unter anderem im Team des Impulszentrums für cooperatives offenes Lernen. Wir wollen Kontakte knüpfen, eventuell an das Netzwerk "Archiv der Zukunft" andocken. Mein Interesse liegt beim Einsatz von neuen Medien. Obwohl es barcamps gibt, die auch technische Aspekte zum Inhalt haben, z.B. Einsatzmöglichkeiten von iPads im Unterricht, ist der Stellenwert, der dieses Thema in diesem Netzwerk hat für mich enttäuschend.
Der Hirnforscher Manfred Spitzer, ein begnadeter Rhetoriker bringt viele Aspekte ab wann das Hirn beginnt zu lernen unterhaltsam rüber – allerdings zieht er meiner Meinung nach die falschen Schlüsse. Die Dämonisierung von Google & Co weist für mich eher auf eine technophobische Grundhaltung hin als dass hier konstruktive Ansätze entwickelt werden. Dass wir uns in einer "Copy & Paste"-Gesellschaft befinden ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen. Allerdings sehe ich in der Arbeit mit meinen SchülerInnen durchaus, dass man Arbeitsaufträge genau auf dieses Faktum aufbauen kann und somit eine höhere Qualität im Lernprozess fordert und diesen auch auslösen kann. Übrigens gibt es zum ADZ-Kongress auch anderswo angeregte Diskussionen.
Es geht vielmehr darum auf der Tatsache der Allgegenwärtigkeit von Wissen aufzubauen und eine höhere Wertigkeit bei SchülerInnen einzufordern. Ich gehe bei meinen Arbeitsaufträgen eigentlich immer von dieser Basis aus, dass jeder Schüler/in grundsätzlich im Netz fast impulsiv recherchiert, aber aus dieser Vielfalt die richtigen Schlüsse zu ziehen, Zusammenfassungen zu machen und das Wesentliche zu extrahieren kann eine neues Qualität des Lernens darstellen die auch andere Kompetenzen erschließt. Selbst beim einfachen Recherchieren in Google und anderen Suchmaschinen muss man gewisse Fertigkeiten entwickeln nach dem zu suchen was gefunden werden will.
Ich arbeite schon seit Jahren in zwei Zielgruppen nicht minder engagierter LehrerInnen: eLearner die sehr projektorientiert arbeiten und PädagogInnen, die sich stark reformpädagogischer Ansätze widmen. Es ist hier immer eine Kluft gegeben, durch das eCOOL-Konzept versuche ich den unterschiedlichen Sichtweisen eine gemeinsame Dimension zu geben – es sprechen auch PädagogInnen darauf an, das sind meine eCOOL-Standorte, die ich betreuen darf, es könnten aber viel mehr sein.
Der Eindruck der nach dieser Konferenz bleibt verfestigt bei mir die Meinung dass noch sehr viel zu tun ist. Teilweise scheinen die Unterschiede so groß zu sein, dass man nicht glaubt, dass hier jemals ein Zusammenwachsen stattfinden kann.
Nächste Tagung – edidaktik im TGM in Wien: hier treffen sich großteils LehrerInnen der Sekundarstufe I u. II zum alljährlichen Austausch zum Thema eLearning. Die Qualität der Vorträge ist für mich hochwertig. Besonders sympathisch wirkt hier, dass viele Konzepte und Ideen auch wirklich im Unterricht erprobt werden und somit ein direktes Feedback von SchülerInnen dem Lehrer/Lerncoach zurückreflektiert wird. Es ist gut sichtbar, dass sich viele KollegInnen schon in dieser neuen LehrerInnenrolle gut einfinden, anleiten, begleiten.
Für die Keynote am zweiten Tag gelang es mir einen Referenten aus der Schweiz, Christoph Bornhauser vom SBW Haus des Lernens, zu gewinnen. Die Vision von Lernhäusern die eine sehr individuelle Betreuung von Lernenden ermöglichen, Änderungen an der Architektur als zweiter Pädagoge einfließen lassen und LehrerInnen zunehmend als Lernbegleiter begreifbar machen ist wunderschön, wenngleich auch assoziiert mit Kosten – so berappen Schweizer Eltern pro Schuljahr € 15.000,- für die Ausbildung pro Kind die aus eigener Tasche gezahlt werden.
Letzte Tagung – die Austrian eLearning-Konferenz in der Messe Wien. Hier spürt man gehörig den Wind der wirtschaftlichen Praxis – allerdings auch den der Kommerzialisierung. Pädagogische Konzepte treten etwas in den Hintergrund, viele Aussteller (zum Teil auch Vortragende) verkaufen Ihre Dienstleistungen und Produkte – vielleicht liegt es auch an einer gewissen Übersättigung meinerseits dass ich etwas kritischer dazu stehe.
Ich merke dass der Anspruch den ich meinen SchülerInnen (Altersgruppe 15-20jährige) entgegenbringe ein hoher ist. Die Chance sie fit für die Zukunft zu machen, für neue Medien zu begeistern und life-long-learning-Konzepte zu verwirklichen ist nach wie vor gegeben, bedeutet aber sicherlich sich immer wieder neu zu erfinden, laufend sich und auch andere zu motivieren und einfach nicht aufzugeben. Auch das ist ein hoher Anspruch.