Bereits vor drei Jahren konnte man das Potenzial von Applikationen [1]die für eine bestimmten Einsatz im Internet abrufbar sind, sogenannte WebApps [2], auf den Facebook-Developer-Meetings in San Francisco erkennen. Global Players wie Google Mountain View hosteten Meetups, halbspontan organisierte Treffen von Entwicklern in verschiedenen Frameworks, die ihre Ideen zu einzelnen Applikationen die über soziale Netzwerke transportiert werden können, gegenseitig austauschten.
Als ich mich im Büro der Firma Zynga in San Francisco, bekannt durch Social Games wie Farmville, mit meiner Kontaktperson unterhielt, sagte mir dieser, dass Zynga gerade Funding in der Höhe von 160 Mio. Dollar erhalten hatte – es gibt also auch Investoren, die ebenfalls vom Konzept solcher Applikationen und des damit verbundenen (Werbe)potenzials überzeugt sind.
Für mich waren diese Meetups (ich habe an fünf teilgenommen) der erste Einstieg in das Thema des viralen Marketings und damit verbunden die Erkenntnis dass sich diese Marketingform durch geschicktes Applizieren für verschiedenste Einsatzbereiche nutzen lässt. Beginnend mit 2011 sind die Konzepte soweit ausgereift, dass sich Anwendungen über bestimmte Plattformen hinaus zumeist leicht transportieren lassen.
[1] Applikationen sind nativ, dh. werden auf entsprechenden zumeist mobilen Ausgabegeräten direkt verwendet und nutzen spezifische Gegebenheiten der jeweiligen Fabrikate (z.B. IPhone-Apps). Zunehmend sind die Grenzen zwischen WebApps u. nativen Applikationen verschwimmend.
[2] WebApps haben eine Benutzeroberfläche die mit Webtechnologien erstellt worden ist und sind über eine URL ansprechbar.
Ein Beispiel dazu:
Ein Herzspezialist entwickelt in den letzten Jahren ein Softwareprodukt das ein kontinuierliches Monitoring verschiedener Werte assoziiert mit Bluthochdruck ermöglicht. Über Smartphones kann laufend auf die Applikation zugegriffen werden, persönliche Daten werden übermittelt, bei kritischen Werten erfolgt eine direkte (kostenpflichtige) Kontaktaufnahme mit dem betreuenden Arzt. Die Monitoring-App die auch grafische Auswertungen über einen Zeithorizont erstellt, ist kostenfrei verfügbar. Sie kann einerseits über die Website abgerufen werden, ist aber durch Schnittstellen auch an Facebook angebunden, wo sich Informationen zu Betroffenen eines bestimmten Krankheitsbilds leichter transportieren lassen.
Ein weiteres Beispiel – eLearning:
LehrerInnen kommunizieren mit SchülerInnen über sogenannte Lernplattformen wie Moodle. Eine Möglichkeit für SchülerInnen den Wissenserwerb selbständig zu überprüfen sind digitale Tests mit Selbstauswertungsmöglichkeit. Diese Tests können direkt in der Lernplattform abgerufen werden, oder aber auch von Smartphones die über eine App direkt auf den Fragestamm zugreifen.
Jetzt kommt noch game-based-learning ins Spiel, ein Ansatz, der den Wissenserwerb mit Spielelementen kombiniert: ein kleines Spiel (business master) vereint das Spielprinzip Monopoly mit Trivial Pursuit. LehrerInnen haben die Möglichkeit das Spiel (als WebApp) in der Lernplattform im didaktischen Setting einzubetten. Fragestellungen bzw. deren richtige Beantwortung, die ein erfolgreiches Weiterkommen im Spiel ermöglichen, werden von LehrerInnen über die Plattform zur Verfügung gestellt. Die Fragen aus der Lernplattform fügen sich somit mit dem Spiel, das auch über eine reguläre Website abrufbar ist, zusammen und werden von SchülerInnen per Smartphone bedient.
Die Fülle an Möglichkeiten für Webapps, deren Kombination mit mobilen Endgeräten und der Nutzung von dynamischen Daten die aus unterschiedlichen Plattformen kommen und über Schnittstellen adressierbar sind, ist schier unendlich.
Letztendlich geht es bei der Erstellung und Nutzung von Webapplikationen um folgende Aspekte:
1. Viralität der Applikation: wir nutzen soziale Netzwerke um Inhalte zu transportieren. Applikationen die direkte Interaktionen verschiedener BenutzerInnen ermöglichen (vor allem Spiele, z.B. Farmville, Yoville, Texas Hold ‘em,…) und einzelne emotionale Aspekte verpackt haben (z.B. Challenge) haben das größte Viralisierungspotenzial in sozialen Netzen, da über den Transport von Informationen hinaus auch eine Funktionalität geschaffen wird, die nachhaltig genutzt werden kann.
2. Plattformübergreifende Nutzungsmöglichkeit (Schnittstellen): sehr häufig werden Applikationen in Standardtechnologien (z.B. Adobe Flash) erstellt, damit eine leichte Einsatzbarkeit über verschiedene Plattformen hinweg möglich ist. Dabei unterscheidet sich lediglich die Art und Weise wie über eine verfügbar gemachte Schnittstelle mit der jeweiligen Applikation kommuniziert wird, entwickelt wird die Applikation im Idealfall nur einmal.
3. Ausgabe auf verschiedenen Endgeräten (Netbooks, Mobile Devices, …): hier liegt sicherlich ein großes Potenzial, nämlich mit der Ausgabe über mobile Endgeräte den Massenmarkt weiter zu erschließen, und ja, für iPhones u. Android-fähige Handys darf einstweilen noch parallel entwickelt werden.
4. Eröffnung eines direkten Kommunikationskanals mit Zielgruppen: die neuen Möglichkeiten über Social Communities Benutzerströme wieder zurück auf die eigene Website zu ziehen und damit noch direkter und somit kundenspezifischer mit der jeweiligen Zielgruppe zu kommunizieren, runden das Bild einer integrierten Kommunikation ab.
5. Monetarisierung der Applikation: auf den Punkt gebracht steht hinter sämtlichen Anstrengungen die Frage, inwiefern sich eine Applikation monetarisieren lässt. Hier ist die Palette von Möglichkeiten breit gefächert – von Micro-Payment-Konzepten über die Analyse und Verwendung des generierten Social Graphs bis hin zur Generierung von Neukunden erfahren Applikationen eine betriebswirtschaftliche Einsetzbarkeit.
Besonders durch das OpenSource-Prinzip sind viele neue Softwareprodukte u. –frameworks entstanden bzw. haben einen Entwicklungsschub erfahren (auch Facebook fußt letztendlich auf der OpenSource-Skriptsprache php).
Auch bei der SLOAN-C-Konferenz, einer der größten eLearning-Symposien in Nordamerika, die heuer in San Jose stattfand und der ich als Vortragender beiwohnen durfte, ist der Trend eindeutig erkennbar. Große Bildungsinstitutionen verlassen sich nicht mehr auf einen Softwareanbieter, sondern kombinieren verschiedenste Entwicklungen aus dem Bereich Social Media mit Campussoftware, adressieren verschiedene Schnittstellen und etablieren das entstehende Amalgam im Kollegium.
Für viele Firmen sind manche dieser Teilaspekte noch Neuland, aber das oberste Gebot der Stunde lautet: dabei sein, Erfahrungen sammeln, nachjustieren und sich die zahlreichen Entwicklungen die laufend entstehen zu Nutze machen.